Stell dir vor, du musst das Einzige loslassen, das du aus tiefstem Herzen liebst
Ganz großes Gefühlskino von Bestsellerautorin Dani Atkins
»Pete, was ist los? Was hat das alles zu bedeuten?«
»Dieser Anruf vorhin …« Die Welt hörte auf, sich zu drehen, verharrte in der Schwebe, während ich wartete. »Das war ein Arzt.« Er schluckte schwer.
»Ein Arzt? Warum?«, flüsterte ich. »Bist du etwa krank? Ist es das?« Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, und bei seinen nächsten Worten dachte ich schon, meine schlimmsten Befürchtungen wären wahr geworden.
»Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, Izzy.«
»Du machst mir Angst. Was zum Teufel ist los?«
Er streckte die Hand aus und legte sie sanft auf meine, trotzdem sah ich, dass sie leicht zitterte. Adrenalin schoss durch meine Adern, obwohl ich immer noch keine Ahnung hatte, worum es ging.
»Sie haben einen Fehler gemacht, Izzy. Einen schrecklichen, furchtbaren Fehler. Und sie haben es gerade erst gemerkt.«
»Wer hat einen Fehler gemacht? Ich verstehe dich nicht!«
Er litt richtige, echte Schmerzen, das konnte ich sehen. Und er weinte offen. Ich erinnerte mich an nur zwei Ereignisse in all unseren gemeinsamen Jahren, bei denen ich ihn hatte weinen sehen. Die waren schlimm gewesen, aber das, was er mir jetzt erzählen würde, war offensichtlich noch weit schlimmer.
Vor Beth Brandon liegt ein wichtiger Tag, denn sie hat eine Entscheidung getroffen, die ihr Leben für immer verändern wird. Sie möchte endlich Mutter werden.
Izzy Vaughan hat immer geglaubt, die perfekte Familie zu haben. Bis die Beziehung zu ihrem Mann Pete langsam zu zerbröckeln begann. Jetzt scheint ihr Sohn Noah das Einzige zu sein, das die beiden noch verbindet.
Als Beth und Izzy aufeinandertreffen, geraten ihre jeweiligen Welten ins Wanken. Ein Ereignis vor acht Jahren bringt sie auf eine Weise zusammen, die keine von ihnen je für möglich gehalten hätte. Und sie müssen sich fragen: Wie viel Liebe braucht es, um ein Kind loszulassen?
Je früher wir mit der Behandlung beginnen, desto besser sind die Erfolgsaussichten.«
Diese Worte, die unsere Zukunft veränderten – die alles veränderten –, waren leise gesprochen worden. Ich hatte über die aufgetürmten Akten und Umschläge mit Röntgenaufnahmen hinweg zu dem Arzt hinübergeschaut, der geduldig wartete, bis wir die Neuigkeiten halbwegs verdaut und uns wieder gefangen hatten.
Ich umklammerte Tims Hand so fest, dass es ihm wahrscheinlich wehtat, hielt den Blick jedoch weiter auf den Onkologen gerichtet, dessen Augen mehr verrieten, als er vermutlich ahnte.
Hinter der randlosen Brille sah ich einen Funken Wahrheit, die er an jenem ersten schwarzen Tag noch nicht mit uns zu teilen bereit war. Die Heilungschancen standen offenbar nicht gut. Meine Fähigkeit, in Gesichtern zu lesen, selbst die feinsten Nuancen wahrzunehmen, die andere nicht sahen, war bei meiner Arbeit immer von Vorteil gewesen. An jenem Tag empfand ich sie eher als Last.
»Mr Brandon, Ihrer Akte entnehme ich, dass Sie beide keine Kinder haben.«
Tim schüttelte den Kopf, und ich spürte, wie sich das Zittern, das ihn überkommen hatte, sowohl auf meinen Körper als auch auf meine Stimme übertrug, als ich an Tims Stelle antwortete:
»Wir sind erst seit zwei Jahren verheiratet. Wir hatten vor, mit der Familiengründung noch etwas zu warten.« Das Gesicht des Arztes verschwamm hinter meinen Tränen.
»Ich weiß, es gibt jetzt viel zu verarbeiten, aber ohne Ihnen eine weitere Entscheidung aufnötigen zu wollen, muss ich Ihnen doch dringend empfehlen, Vorkehrungen zu treffen, damit Ihre Fertilität erhalten bleibt.« Vielleicht verstand Tim sofort, was der Onkologe meinte, aber ich konnte nicht recht folgen.
»Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Behandlung Ihre Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen, daher raten wir Ihnen, darüber nachzudenken, ob Sie nicht Ihren Samen einfrieren wollen.«
Einen verrückten Moment lang stellte ich mir vor, dass der Arzt meinte, wir sollten das bei uns zu Hause machen und die Spermien dann neben den Schweinekoteletts und den Tiefkühlerbsen lagern. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis es mir gelang, dieses Bild vor meinem inneren Auge wieder loszuwerden.
»Es gibt verschiedene Kinderwunschkliniken, die wir Ihnen empfehlen können. Dort wird man Ihnen Ihre Möglichkeiten erläutern. Das kann vom Einfrieren von Samenflüssigkeit bis zur Kryokonservierung von Embryonen reichen, sofern Sie sich dafür entscheiden sollten.«
»Embryonen?«, fragte Tim verwirrt.
»Es ist eine mögliche Option. Die Erfolgsaussichten bei Schwangerschaften mit kryokonservierten Embryonen sind hervorragend. Bei Paaren in Ihrem Alter und in Ihrer Situation wäre es auf jeden Fall eine Überlegung wert.«
Schon zwei Tage später waren wir in eine Klinik gefahren. Wir hatten kaum genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was wir da taten, vom Warum ganz zu schweigen. Die Vorstellung, dass Tim lebensbedrohlich erkrankt war, hatte eine so niederschmetternde Wirkung auf uns, dass wir alles wie durch einen weißen Nebel wahrnahmen.
Wir hatten das Kinderwunschzentrum schließlich mit Stapeln von Broschüren und vielen Ratschlägen im Ohr verlassen.
Am Ende trafen wir unsere Entscheidung jedoch nicht mithilfe der Erfolgsquoten, Diagramme oder Erfahrungsberichte, die wir bis spät in die Nacht studiert hatten, als würden wir für eine Prüfung pauken, sondern mit unseren Herzen.
»Wir machen ein Kind«, sagte ich, schmiegte mich an den Mann, den ich liebte, und versuchte, nicht daran zu denken, wie viel Gewicht er im letzten Monat verloren hatte.
»Und frieren es dann ein. Wir legen unser Kind – oder unsere Kinder – buchstäblich auf Eis.«
»Ich glaube, genau genommen lagert man sie in flüssigem Stickstoff«, berichtigte ich ihn, als neue Expertin auf einem Gebiet, über das ich noch vor ein paar Tagen beinahe nichts gewusst hatte.
»Und dich setzen wir allen möglichen unnötigen invasiven Eingriffen aus. Dabei bist du ja nicht mal krank«, hatte Tim gesagt, und der Schmerz und das Bedauern in seiner Stimme waren nicht zu überhören. Er war wütend. Nein, mehr als das, er war außer sich vor Zorn, weil sein Körper ihn erstmals in seinen dreißig Lebensjahren so komplett im Stich ließ.
»Wir wissen nicht, wie lange du brauchst, um die Krankheit zu besiegen«, meinte ich und hoffte, dass ich optimistisch genug klang, um ihn zu täuschen. »Und es könnte Jahre dauern, bis wir danach bereit sind, Kinder in die Welt zu setzen. So brauchen wir uns wenigstens keine Sorgen wegen meiner Fruchtbarkeit zu machen. Wir haben dann schon ein tiefgefrorenes Kind bereitliegen.«
»Bloß Wasser hinzufügen und auf kleiner Flamme erwärmen«, hatte er gewitzelt und mich noch fester an seine abgemagerte Brust gedrückt.
»Genau«, sagte ich, die Lippen auf seine Haut gepresst, damit er nicht spürte, wie sie zitterten und dass mir in der Dunkelheit Tränen über die Wangen liefen.
»Na schön, dann lass uns loslegen«, flüsterte er in mein Haar.
»Machen wir ein paar Kinder.«